Kind zwischen den Welten

■ Ismael Ivo begeisterte mit seinem Tanz "Deliarium of a Childhood" auf Kampnagel

begeisterte mit seinem Tanz Delirium of a Childhood auf Kampnagel

In Delirium of a Childhood begibt sich der Brasilianer Ismael Ivo auf eine Reise ins Unbewußte. Die Tanz-Performance ist der Versuch, seine afro-brasilianische Herkunft mit dem Leben in der modernen Welt zu verbinden. Dargestellt werden die zwei Welten durch archaisch-ursprünglichen Tanz und asketische Ästhetik, untermalt von afrikanischen Wiegenliedern, die sanft zu Mahlers Kindertotenliedern überleiten. In blaues Licht getaucht ist die Welt seines Ursprungs, und blau ist auch Farbe seines Körpers. Rot kennzeichnet dagegen das Leben der modernen Zivilisation.

Mit perfekt beherrschtem Körper tanzt Ivo sein Leben zwischen beiden Extremen und setzt den Bewegungen der afrikanischen Tänze Elemente des modernen Tanzes entgegen. Ivo träumt die Erinnerung, die bei seinem und dem Ursprung aller Menschen beginnt. Eine symbolische Geburt steht am Anfang. Vom ersten Moment an hat das Publikum teil an dessen innerer Verletzlichkeit und unschuldiger Verwirrtheit, die Ivos Körper, der zum Instrument seiner Empfindungen wird, spiegelt.

Das Leben ergreift Besitz von ihm, sich fallen lassend in einen Zustand der Trance erschließt Ivo seinem Publikum die Seele dieses Kindes und aller Kinder. Es ist, als sei es in den erwachsenen Körper geschlüpft, so daß der Mann seine eigene Kindheit erneut erlebt. Ismael Ivo tanzt die kindliche Realität zwischen zwei Welten und seine unschuldige Naivität und seine hilflose Offenheit. Mit wenigen Requisiten, drei Schüsseln gefüllt mit Glaskugeln, Mehl und Wasser, symbolisiert er eindrucksvoll die drei Stadien des Hungers. All diese Erfahrungen werden begleitet von einer alle Gefühle umfassenden Erregung. Es ist ein Taumel der Empfindungen, der letztlich doch in emotionaler Leere endet. Daraus bildet sich der Wunsch, in den sicheren, schützenden Mutterschoß zurückkehren zu dürfen und sich der verwirrenden Realität zu entziehen.

Jäh wird dem Kind die Naivität genommen, der Traum ist zu Ende. Durch Güsse kalten Wassers erwacht der Träumende, wäscht die blaue Farbe von seinem Körper und wird der Realität gewahr. Dem Moment des erschreckten Innehaltens folgt ein befreites Wirbeln über die Bühne, begleitet von Ivos herzlichem, ansteckendem Gelächter. Es lohnt sich, an dieser aufregenden Reise teilzunehmen. Nina Schönweiß

noch heute und morgen, K 6